· 

Das schönste hässliche Wartezimmer

In der Orthopädie Praxis sehe ich lauter Masken. Vielleicht hab ich Glück und sie akzeptieren mein Attest von vor 3 Jahren. Möchten Sie es sehen? frage ich. „Naa. Passt scho“ sagt die junge Frau und weist mir – mich freundlich duzend - den Weg zum Wartezimmer. Drei Menschen sitzen dort. Als zwei hintereinander gerufen werden, bin ich allein mit einem älteren Herrn. Er sitzt mir direkt gegenüber. Erstaunt beobachte ich, wie er seine Maske absetzt: „Sie haben doch nichts dagegen?!“ sagt er. Bewegt höre ich ihm 5 Minuten lang zu. Sein gesamtes Erleben seit Beginn der Impfkampagne scheint er mir zu schildern, fast etwas hastig, vom Hölzchen auf´s Stöckchen. Er habe ja Asthma, daher sei er anfangs unsicher gewesen, aber nein, in seiner Familie seien alle ungeimpft. Was in Deutschland los sei… unglaublich, so schlimm sei es noch nie gewesen.

Die Tür öffnet sich und eine ältere Dame mit Dutt tritt ein und lüftet als erstes die Maske. Der Mann gegenüber schaut mich an und will die Maske wieder aufsetzen. Ich schüttele den Kopf und sage dezent, nein, nicht nötig, es ist vorbei. Die Dame nickt schüchtern lächelnd in meine Richtung. Beiläufig beginnt sie, ihre Maske ganz abzusetzen. Kurz drauf betritt ein junger Mann den Raum. Er setzt sich hin und schaut sich erstaunt um. Dann senkt er den Blick und schweigt. Das Gespräch wird stockender. Nach ein paar Minuten geht die Tür auf und ein unmaskierter Mann setzt sich freundlich grüßend neben mich. Ja, sagt der ältere Herr leiser in meine Richtung, das Problem sei, wenn das jemandem hier nicht gefällt. Ich sage Schulterzuckend, und wenn? Macht nichts. Da geschieht das Wunder: Der Mann an meiner Linken ergänzt ruhig und klar, nein, nein, es ist vorbei, auch in den Apotheken und Arztpraxen, er habe es jetzt auch in der Lokalzeitung gelesen.

 

Entspannung im ganzen Raum. Wie nach einem schweren Sturm. Verbindung von Mensch zu Mensch. Wie gut das tut. In Bayern, wer hätte das gedacht. Ich entschließe mich, investigative Bloggerin zu werden und überall dort, wo es leicht geht, zum Wiederaufbau und zur Lebensfreude beizutragen.