
Verstrickt, autonom oder verbunden?
Sie heißt Annamaria. 4 Jahre gingen wir Hand in Hand. Ich sah sie zum ersten Mal im Frühjahr 2021, als sie mit ihrem knallblauen Regenmantel auf dem Fahrrad zum Samstagsspaziergang dieser neuen Partei kam. So wie ich zum ersten Mal. Ihre Augen hatte dieselbe Farbe, wie der Mantel! Sie war schon älter und für ihre sichtbaren 70 verdammt jung.
Sympathie vom ersten Moment. Ich fragte sie, ob wir uns mal treffen bei Gelegenheit und gab ihr meine Telefonnummer. Wir begannen, uns zu treffen, tranken Tee auf ihrem grünen Sofa mit Blick in den Himmel und auf die Birke im Hinterhof. Es fanden sich immer wieder interessanteste Beobachtungen zu unseren Begegnungen mit den vielen Maskentragenden Menschen. Es tat so gut, sich auszutauschen. Herzensverbindung in Krisenzeiten.
Neues Medium Sprachnachrichten
Als ich Bremen verließ,- ein Jahr später - entdeckten wir die Whatsapp Sprachnachrichten als das beste Medium für den Austausch. Wir erzählten und erzählten. Sie hoch im Norden, ich im Süden. Fast wurde es zum täglichen Ritual.
Ich genoss den vielen Raum, mich regelmäßig in meine eigenen Betrachtungen zu vertiefen. Und hörte ihr mit großen Ohren zu.
Jede sprach immer für sich und von sich. Annamaria nannte diesen jeweiligen Raum „ihre Straßenseite“. Sie achtete sehr darauf, nur zu sprechen oder zuzuhören. Verlor keine Worte darüber, sondern machte es einfach. Und das war ansteckend. Und wohltuend. Vor 30 Jahren war sie bei den Anonymen Alkoholikern angekommen und feierte diesen Beginn wie einen Geburtstag.
Genuss des Miteinander Lernens
Ich lernte mit ihr, mich zurückzuhalten. Und gleichzeitig mich selbst mit meinen Erlebnissen zu erleben und auch zu zeigen. Es fühlte sich wie bedingungslose Annahme an. Diese Gewissheit, dass mir zugehört wird. Und ich sie begleiten darf. Wenn ich um Resonanz bat, gab sie sie mir, immer sehr zart und vorsichtig.
Auch ich hielt es so, wenn sie mich bat. Diese Beziehung gab mir Raum und Sicherheit. Sie trug mich durch turbulente und oft auch schwere Zeiten.
Jetzt ist es vorbei. Getrennte Wege seit März. Und ich staune. Und sie fehlt. Und doch fühle ich die Wahrheit darin.
Annamaria ist nicht die, die ich gesehen habe. Es beschäftigt mich sehr. Und ich bin voller Dankbarkeit, dass ich beschreiben darf. Um es zu verstehen. Um aus Blei Gold zu machen.
Teil 2 folgt
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